Gemeindewappen
von Dr. Hans-Bernd Spies
Wappen entstanden in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zunächst als Erkennungszeichen für zusammengehörige militärische Kampfeinheiten und konnten anfänglich an jedem Teil der Rüstung angebracht werden, doch Ende des 12. Jahrhunderts setzte sich der zur defensiven Bewaffnung eines Ritters gehörende Schild als Unterlage des Wappens durch. Daher haben Wappen auch heute noch gewöhnlich eine schildartige Form, und ihre Beschreibung erfolgt vom Standpunkt des Schildträgers aus, d. h., die rechte Seite eines Wappens ist für den Betrachter die linke Seite.
Seit dem 13. Jahrhundert wurden Wappen von der europäischen Ritterschaft als unveränderliches Zeichen benutzt. Bald gab es Wappen nicht nur für bestimmte Gruppen, sondern auch für einzelne Personen und Familien und konnten vererbt werden; außerdem wurden sie zu Sinnbildern von Territorien, Städten, Zünften usw. Wappen waren und sind Zeichen oder Symbole bestimmter Farbe, Form oder Darstellung, die ihre Träger, ob natürliche oder juristische Personen unmittelbar repräsentieren. Auch die Gestaltung moderner Wappen folgt weiterhin bestimmten Regeln der Heraldik oder Wappenkunde, die sich in Mittelalter und früher Neuzeit entwickelt hatten.
Die Gemeinde Mainaschaff führt erst seit 1967 ein eigenes Wappen
Die Gemeinde Mainaschaff führt erst seit 1967 - die Genehmigung durch das Bayerische Staatsministerium des Innern wurde am 16. August 1967 erteilt - ein eigenes Wappen, dessen amtliche Beschreibung folgendermaßen lautet:
"Ein silberner Wellengöpel; vorne fünfmal geteilt, von Gold und Rot, hinten in Rot ein halbes stehendes silbernes Rad, unten Blau."
Diese auf den ersten Blick wenig verständliche Wappenbeschreibung gibt dem Fachmann, dem Heraldiker, genügend Hinweise, um das Wappen der Gemeinde Mainaschaff eindeutig erkennen oder malen zu können. Dieses Wappen enthält verschiedene Farben und Figuren. Zu den Farben ist zunächst zu sagen, daß in der Heraldik Silber und Weiß sowie Gold und Gelb gleichgesetzt werden und zu den Metallen gehören, wohingegen Schwarz, Rot, Blau und Grün zu den Farben zählen. Eine farbliche Wappenaufteilung, z. B. durch senkrechte oder waagerechte Teilung, was als geteilter oder gespaltener Schild bezeichnet wird, nennt man Heroldsbilder; die farbliche Aufteilung des Mainaschaffer Wappens in drei Felder erfolgt durch den silbernen Wellengöpel, der den Zusammenfluß von Main und Aschaff symbolisiert. Das vordere oder heraldisch rechte Feld des Wappens enthält ebenfalls ein Heroldsbild, nämlich fünf Streifen, abwechselnd Metall (Gold) und Farbe (Rot); die untere rote Fläche des vorderen Wappenfeldes, die breiter ist als die Streifen, wird nicht zu diesen gezählt. Das hintere oder heraldisch linke Wappenfeld ist rot und enthält eine - so in der Sprache der Heraldik genannt - Gemeine Figur. Solche können Gegenstände der Natur wie Bäume, Blätter, Sonne, Sterne, Tiere usw., der menschlichen Kultur, beispielsweise Bücher, Gebäude, Handwerkszeug, Kronen, Räder, Schuhe und Waffen, sowie Phantasiewesen, z. B. Drachen, Einhörner und Nixen, sein; im Falle Mainaschaffs handelt es sich um ein halbes, stehendes silbernes Rad. Das durch den Wellengöpel geschaffene dritte - untere - Feld ist blau.
Die Bestandteile des Wappens der Gemeinde Mainaschaff haben eine bestimmte Bedeutung. Der Wellengöpel als Hinweis auf die Mündung der Aschaff in den Main wurde bereits erwähnt. An die Grafen von Rieneck, deren Farben Gold und Rot waren, erinnert die Gold-Rot-Teilung im vorderen Feld.
Die Grafen von Rieneck waren ursprünglich für den Reichsforst im Spessartraum zuständige Vertreter des römisch-deutschen Kaisers bzw. Königs und wurden als solche Vögte genannt; aufgrund der mit dem Vogteiamt verbundenen Rechte konnten die Rienecker im Laufe der Zeit eigenen Territorialbesitz, die Grafschaft Rieneck, erwerben. Aber nicht diese Grafschaft, sondern ein anderes Rechtsverhältnis ist der Grund dafür, daß die Rienecker Farben im Wappen der Gemeinde Mainaschaff erscheinen. Denn die Grafen von Rieneck waren vermutlich seit der Mitte des 12. Jahrhunderts - erster gesicherter Beleg von 1187 - auch Vögte des Stiftes St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg. Der Begriff ,Vogt' kommt vom lateinischen ,advocatus', was in diesem Fall ,rechtlicher Vertreter' bedeutet. Geistliche Institutionen wie das Aschaffenburger Stift benötigten als Vertreter in weltlichen Angelegenheiten, in erster Hinsicht also vor Gericht, und zur Verwaltung des Kirchengutes Laien; die Inhaber dieser Vertretungsrechte nannte man Vögte. Die Grafen von Rieneck hatten das Amt des Stiftsvogtes mehr als 100 Jahre inne; nach der Mitte des 13. Jahrhunderts verloren sie es im Zuge ihrer Auseinandersetzungen mit dem Erzstift Mainz. Dieses Amt hatten sie ebenfalls genutzt, um sich Rechte und damit verbundene Einkünfte zu sichern, die sowohl dem Ausbau eines eigenen Territorium, der Grafschaft Rieneck, dienten, aber auch darüber hinausgingen.
Mainaschaff, das erheblich vor 1184 an das Stift St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg gelangte - die Urkunde, laut der Kaiser Otto II. das Dorf Mainaschaff dem Stift bereits 980 geschenkt haben soll, ist eine Fälschung des 13. Jahrhunderts -, gehörte zum Wirkungsbereich der Grafen von Rieneck in ihrer Eigenschaft als Aschaffenburger Stiftsvögte. Doch bereits 1222 übertrug der damalige Stiftsvogt, Graf Ludwig II. von Rieneck, die Vogtei Mainaschaff einem Untervogten, nämlich Ritter Konrad von Bessenbach, der zugleich mainzischer Vizedom zu Aschaffenburg, also dortiger Stellvertreter des Erzbischofs von Mainz, war. Das hintere oder heraldisch linke Wappenfeld, das in Rot ein halbes silbernes Rad enthält, erinnert an die jahrhundertelange Zugehörigkeit des Aschaffenburger Stiftes und somit auch Mainaschaffs zum Erzstift Mainz. Auch die Länder, zu denen Mainaschaff nach dem Ende des Erzstiftes (1803) gehörte - der Erzkanzlerische Kurstaat (1803-1806), der Fürstprimatische Staat (1806-1810) und das Großherzogtum Frankfurt (1810-1814) -, führten das Mainzer Rad in ihren jeweiligen Wappen. Das Rad als Zeichen des Erzstiftes Mainz erschien erstmals im 13. Jahrhundert auf Münzen Erzbischof Siegfrieds III. (um 1195-1249) und Siegeln Erzbischof Werners (nach 1225-1284), die ab 1230 bzw. ab 1259 dieses Amt jeweils bis an ihr Lebensende innehatten. Zunächst hatte das Mainzer Rad acht Speichen, aber es gibt auch Darstellungen mit fünf, sechs und sieben Speichen; das achtspeichige Rad herrschte zunächst vor, im 16. Jahrhundert wurde das sechsspeichige Rad immer häufiger, im 17. Jahrhundert bildete das achtspeichige Rad die Ausnahme, und seit dem späten 17. Jahrhundert führten die Erzbischöfe von Mainz in ihren Wappen das Rad nur noch sechsspeichig.
Trotz verschiedenartiger Deutungsversuche gibt es bis heute keine schlüssige Begründung dafür, warum die Erzbischöfe von Mainz ein Rad als Gemeine Figur in ihren Wappen führten. Vielleicht ist gerade die schon vor einigen Jahrhunderten erfundene Geschichte, das Rad im Mainzer Wappen gehe auf den von 975 bis zu seinem Lebensende als Erzbischof amtierenden Willigis (um 940-1011) zurück, der Sohn eines Wagners gewesen sei, als Ausdruck der Hilflosigkeit hinsichtlich einer schlüssigen Herleitung dieses Symbols zu sehen. Jedenfalls enthält sie zwei grundlegende Fehler: Erstens war Willigis kein Sohn eines Handwerkers, sondern eines Adligen, und zweitens gab es zu seiner Zeit überhaupt noch keine Wappen!
Beziehen sich das vordere und das hintere Feld des Mainaschaffer Wappens auf die Geschichte des Ortes, nämlich auf die Grafen von Rieneck und das Erzstift Mainz, so das untere Feld auf die Gegenwart: Das Blau des Feldes weist in Verbindung mit dem Silber des Wellengöpels auf die heutige Zugehörigkeit Mainaschaffs zum Freistaat Bayern hin, dessen Farben Weiß (Silber) und Blau sind.